Serientäter mit Suchtpotential: Donna Leon – Commissario Brunetti

CommissarioBrunettiWer das Fernweh so sehr pflegt und kultiviert hat wie ich, der ist mit einem guten Buch immer gut beraten. Eine Ersatzdroge, die vorübergehend Abhilfe schaffen kann und den Geldbeutel schont. Wen es interessiert: Obwohl ich mich an diesem Wochenende im realen Leben auf Deutschlands Bahnhöfen herumtreibe, bin ich zur Zeit lieber mit Aaronovitch in den Jazz-Clubs Londons unterwegs. In Venedig war ich persönlich das letzte Mal im Alter von 16 Jahren. Es roch stark, war heiß und völlig überfüllt. Es ist Donna Leon zu verdanken, dass ich auch ein anderes Venedig kennen lernen durfte.

Seit dem Jahre 1992 hat die amerikanische Schriftstellerin Donna Leon in jedem Jahr (!) einen Brunetti-Roman veröffentlicht. Das macht mit dem 2013 erscheinenden Buch „Tierische Profite“ ganze 21 Stück. Ich muss zugeben, erst sechs Krimis der Reihe (alle, die es in unserer Bücherei gab) gelesen zu haben. Das versetzt mich in die bequeme Position, in den nächsten Jahren immer mindestens ein gutes Back-Up Buch in petto zu haben. Bei Brunetto von einem Suchtmittel zu reden, ist also eigentlich irreführend. Brunetti ist vielmehr etwas für Genießer.

Commissario Brunetti ist ein zutiefst sympathischer Ermittler, der mit großem persönlichem Einsatz und entgegen vieler Widrigkeiten Fälle aufklärt. Eine dieser Widrigkeiten zeigt sich in der Person des unfähigen Vice Questore Patta, der gemeinsam mit dem Sergente Alvise die fast schon komischen Counterparts zu dem eher feingeistigen Commissario bilden. Das feste Figurenensemble wird von Brunettis Frau Paola ergänzt. Diese stammt aus einer alteingesessenen Adelsfamilie Venedigs und weiß daher ganz besondere Einblicke in die Gesellschaft zu bieten.

Brunetti bewegt sich in seinen Fällen am Rande der Gesellschaft und lässt diese Eindrücke nie unreflektiert. Donna Leon schreibt also nicht nur spannende Krimis, sondern widmet sich wirklich in jedem Roman gesellschaftskritischen Themen. Umweltskandale, Tabu-Themen wie Pädophilie, Prostitution und Menschenhandel werden Brunettis normalem Familienalltag geschickt gegenübergestellt. Wie geht ein Mensch damit um, solche Fälle „mit nach Hause“ zu seinen zwei Kindern zu nehmen? Brunetti lebt diese Konflikt sensibel vor. All das spielt in der Kulisse der Lagunenstadt. Und die ist mit so viel Liebe zum Detail beschrieben, dass jeder Brunetti trotz des harten Tobaks ein kleiner Kurzurlaub ist.

Kennt Ihr die Romane von Donna Leon oder seid Ihr eher von den zahlreichen ARD-Verfilmungen geprägt? Ich habe die Filme wegen dieser „Rosamunde Pilcher“-Optik eher gemieden, wurde dann aber doch von ein, zwei Folgen überzeugt. Ich wünsche Euch einen entspannten Sonntag.

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